Mittelaltertag Heidelberg
Mittelaltertag Heidelberg, pixabay/Foto illustrativ

Am Samstag verwandelte sich der Innenhof der Neuen Universität Heidelberg in eine Zeitreise-Station. Der Mittelaltertag der Universität lockte mit Forschung zum Anfassen und räumte mit Mythen über Drachen und Einhörner auf. Zwischen Vorträgen, Fechtkunst und Suppe aus Erbsen und Karotten konnten die Besucher entdecken, wie vielfältig das Mittelalter wirklich war. Der Fokus lag auf dem historischen Verständnis von Fabelwesen.

Inhaltsverzeichnis:

Fechten und Forschung in Heidelberg

Der zehnte Mittelaltertag wurde von Studierenden und Lehrenden der Universität organisiert. Anders als klassische Mittelaltermärkte war die Veranstaltung nicht kommerziell ausgerichtet. Ziel war es, wissenschaftliche Erkenntnisse aus Kunstgeschichte, Germanistik, Geschichte und Philosophie auf verständliche Weise zu vermitteln. Die Mitmachaktionen und Live-Vorführungen sollten den Zugang erleichtern. Zum Programm gehörten:

  • Vorträge über mittelalterliche Fabelwesen
  • Mitmachstationen wie die „Einhornwerkstatt“
  • Fecht- und Falknervorführungen
  • Historisches Essen nach überlieferten Rezepten

Ein Geschichtsstudent lobte die Verständlichkeit der Präsentationen. Besucher aller Altersgruppen konnten sich über den Stand der Forschung informieren.

Aaron Vanides erklärt das Einhorn

Besonderes Interesse galt der Einhornwerkstatt, in der Einhörner gezeigt wurden, wie sie im Mittelalter verstanden wurden. Der Historiker Aaron Vanides betonte, dass diese Wesen damals nicht wie heute ausschließlich als Pferde mit Horn dargestellt wurden. In mittelalterlichen Quellen erscheinen sie auch als fisch- oder walförmige Kreaturen.

Fabelwesen wie Einhörner galten im Mittelalter nicht als friedliche Wesen. Oft wurden sie als gefährlich eingestuft. Die Forschung zeigt: Sie hatten eine vielschichtige Bedeutung. Ähnlich überraschend waren Darstellungen von Drachen, die nicht nur als tödliche Bestien erschienen, sondern auch in Verbindung mit Menschen traten. Es gab sogar Geschichten, in denen sie Helfer oder Begleiter waren.

Missverstandene Tiere in Handschriften

Kunsthistorikerinnen Lena Marschall und Annika Zschoch präsentierten mittelalterliche Handschriften mit erstaunlichen Darstellungen. Ein Biber, der wie ein Wolf aussieht, oder ein Krokodil, das einem Hasen ähnelt – solche Irrtümer waren keine Seltenheit. Die Erklärung liegt laut Marschall in der Arbeitsweise der Buchmaler.

Diese Künstler kannten die Tiere oft nur aus Erzählungen. Statt auf naturgetreue Beobachtungen zurückzugreifen, mussten sie sich auf Beschreibungen verlassen. Das führte zu phantasievollen, aber völlig ungenauen Darstellungen. Diese Fehler geben heutigen Forschern Hinweise auf das mittelalterliche Weltbild und seine Grenzen.

Einhornmythen im Apotheken-Museum

Auch außerhalb des Mittelaltertags kann man in Heidelberg mehr über Fabelwesen erfahren. Das Deutsche Apotheken-Museum im Heidelberger Schloss widmet sich ganzjährig dem Thema. Ein Schwerpunkt liegt auf der Symbolik und medizinischen Nutzung des Einhorns.

Im Mittelalter galt der Narwal als reales Vorbild des Einhorns. Sein Zahn – fälschlich als Horn interpretiert – wurde getrocknet und zu Pulver verarbeitet. Man versprach sich davon eine starke Heilkraft. Flaschen mit solchen Substanzen stehen heute noch im Apotheken-Museum und dokumentieren die damalige medizinische Praxis.

Der Mittelaltertag in Heidelberg zeigt: Fabelwesen waren im Mittelalter nicht bloß Märchenfiguren. Sie waren Teil des religiösen, medizinischen und sozialen Denkens ihrer Zeit. Die Veranstaltung bot einen fundierten, lebendigen Einblick in diese fremde Welt.

Quelle: SWR